Roman

Aus dem Japanischen von
Jürgen Stalph

158 Seiten

frz. Broschur, dt. EA

ISBN 978-3-944751-19-1

Manichi Yoshimura

Kein schönerer Ort

Das Haus hatte einen kleinen Garten. Mit diesem unscheinbaren Satz beginnt das Buch, eine Erzählung aus der Perspektive eines kleinen Mädchens, einer 11jährigen Grundschülerin. Aber die Unscheinbarkeit verliert sich schnell, der Leser ahnt schon nach wenigen Seiten, dass es um etwas Außergewöhnliches geht. Nicht um den Garten und das Haus, in dem das Mädchen allein mit ihrer strengen, von einem Reinlichkeits-wahn besessenen Mutter zusammenlebt, nicht um die Nachbarn, von denen die Mutter sich abschottet, nicht um die Einsamkeit des Mädchens in der Schule. Eine Reihe eher merkwürdiger häuslicher und schulischer Ereignisse, vorgetragen aus der unschuldigen Sichtweise des Mädchens, macht bald klar, dass sich in Umizuka, der Stadt am Meer, in der das Mädchen und seine Mutter leben, etwas Ungeheuerliches ereignet hat und dass die Bewohner alles dafür tun, dieses Ungeheuerliche nicht zur Kenntnis zu nehmen. Man ist eine Gemeinschaft, die Schlimmes überstanden hat und deshalb um so mehr Gemeinschaft sein muss. Niemand darf ausscheren, niemand er selbst sein. Das Gemüse, das man zieht und isst, ist gesund, weil es gesund sein muss. Die Fische, die man aus dem Meer holt, sind nicht nur essbar, sondern schmackhaft. Sie müssen es sein. Die Leute sind alle nett. Sie müssen es sein. Man hat eine Hymne, die Umizuka-Hymne. Man singt sie gemeinsam, man hilft sich, wo man kann, und man bespitzelt sich. In der Schule aber sterben die Kinder, Lehrer verschwinden, Männer in Anzügen tauchen auf. Mit jedem Satz, jedem Kapitel wird klarer, dass die Fassade nur eine Fassade ist. Und zugleich: dass Risse in der Fassade nicht geduldet werden. Sie werden erbarmungslos übertüncht.

Welches Unglück die Bewohner von Umizuka heimgesucht hat, wird nicht ausgesprochen. Man denkt sofort an die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Aber das wäre zu kurz gegriffen. Das Buch beschreibt in sehr leisem, aber nach und nach immer eindringlicher werdendem Tonfall, was passiert, wenn man, koste es, was es wolle, die Augen und Ohren vor Dingen verschließt, die nicht sein können, weil sie nicht sein dürfen; es beschreibt, wie aus Not Gemeinschaft ensteht und ein falsch verstandenes Gemeinschaftsgefühl, das zu Bespitzelung, Unterdrückung und schließlich Gleichschaltung führt. In Umizuka. In Japan. Überall.



(C) Bungei shunju
(C) Bungei shunju

Autor

Manichi Yoshimura, geb. 1961 in Ehime, aufgewachsen in Osaka. Studium in Kyoto. Gab erst spät sein literarisches Debüt. Akutagawa-Preisträger des Jahres 2003. Kein schönerer Ort (OT: Borado-byo) erschien in Japan zuerst im Januar 2014. Anlass des Schreibens waren der Tsunami und die Reaktorkatastrophe in Fukushima vom 11.3.2011. 



Pressestimmen

Dieses Buch ist spannend zu lesen und der wertvollste Beitrag gegen Gleichschaltung und impft gegen verordnete Lügen – daher gehört es in jede Bibliothek und vor allem als Klassenlektüre in die Schulbibliothek ab der Unterstufe!

Eva Riebler, www.litges.at/kritik/Buch

Warnschrift vor weltweiten totalitären Tendenzen

Steffen Gnam, FAZ

Plädoyer für selbständiges Denken

Alexandra Huth, Kreuzer

Eine düstere Dystopie und ein politisches Plädoyer zugleich. Die Realität ist, dass püntklich zu den olympischen Spielen in Tokyo 2020 den Japanern und dem Rest der Welt eine heile Welt vorgegaukelt wird. Denn auch Fukushima, das angeblich wieder sauber ist, wird zum Austragungsort einiger Disziplinen werden. Der Leser erkennt, dass der Roman eine weitere Dimension hat, die über Fukushima hinausgeht. Denn das Vorenthalten von Fakten ist, ebenso wie die Vermehrung verstrahlter Lebensräume und Nahrungsmittel, ein globales Phänomen.

Barbara Geschwinde, WDR 3, Mosaik / Resonanzen, 31.12.2018

Manichi Yoshimura hat "Kein schönerer Ort" drei Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima geschrieben. Diese wird in seinem Roman zwar mit keinem Wort erwähnt, aber sie ist allgegenwärtig. Genauso wie die Gesinnungspolizei, die jeden mitnimmt, der daran zweifelt, dass es keinen schöneren Ort gibt als Umizuka. Es ist ein beklemmender Roman mit eindeutigen Analogien zu Orwells 1984. Faszinierend ist er auch deshalb, weil er so konsequent aus der Perspektive eines Kindes geschrieben ist, das vieles richtig wahrnimmt, aber nicht einordnen kann.

Roana Brogsitter, Bayerischer Rundfunk, Oktober 2018

Äußerst kunstvoll, präzise und in perfider Konsequenz.

Lisette Gebhardt, literaturkritik.de, Oktober 2018

Wenn ihr ins Zentrum des Schmerzes und der Gleichschaltung vordringen wollt, lest unbedingt dieses beeindruckende Buch.

Lydia Herms, Deutschlandfunk-Nova

Ganze Besprechung hören

In Zeiten, in denen „Heimat“ als politischer Kampfbegriff zur Aus- und Abgrenzung verwendet wird, ein nicht nur sehr guter, sondern auch wichtiger Roman, der bis zum verstörenden Schluss fesselt.

 

Jana Volkmann, Buchkultur, 179, 4/2018, S. 38

Ein dünnes Buch mit einer Botschaft, die es in sich hat!

japanische-literatur.blogspot.com, 25. September 2018

Beeindruckend - Empfehlenswert!

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